Bericht zur Tour
Autor
Erich Jordi
Erstellt am
09.09.2019 14:59
Letzte Änderung
12.09.2019 6:52
Tourenbericht

Velowoche Natur und Kultur in Friesland, 17. bis 24. August 2019

Samstag, 17. August, Tag der Anreise
Fast pünktlich bringen uns Swiss und die gut ausgelastete Niederländische Bahn nach Steenwijk, unserem Ausgangspunkt für die Velotour. Unsere Velos stehen schon beim Hotel bereit und wollen nur noch auf die richtige Sattelhöhe eingestellt werden. Beim anschliessenden Willkommens-Apéro gibt’s noch einige Informationen über das was uns in den kommenden Tagen erwartet. Mit dem Abendessen im Hotel lassen wir den Tag ausklingen.
Erich Jordi

Sonntag, 18. August, von Steenwijk nach Ossenzijl
Bereits um 8.15 starten wir in Richtung Giethoorn im Regenzeug, das wir aber bald ablegen können, da es immer schöner und wärmer wird. Giethoorn, das Venedig des Nordens, ist der erste Höhepunkt des Tages: die traditionellen Backsteinhäuser mit Reetdächern und den blitzblank geputzten grossen Fenstern und den gepflegten Hausrasen, alle eingerahmt von schmalen Hauskanälen. Zwei Stunden dauert die Bootsfahrt in drei Elektrobooten, gesteuert von ungeschickten Freizeitkapitänen (Thomas S., Markus M. und Erwin L.) unter zahlreichen Brücken durch auf einen grossen See, durch ein Naturschutzgebiet, wo Störche, Graugänse und Teichhühner im Ried auftauchen. Der zweite Höhepunkt des Tages ist die Fahrt auf dem schmalen Fietspad (Veloweg) der Dwarsgracht entlang über Dutzende schmale Bogenbrücken der Hauskanäle. Gefragt ist ein sicheres Balancieren und etwas Anlauf oder aber ein sicheres Überqueren zu Fuss. In Kalenberg gibts den langersehnten Kaffeehalt und anschliessend eine berauschende Fahrt durch einen Nationalpark und entlang eines Kanals der Abendsonne entgegen. Um 18 Uhr Ankunft in Ossenzjil nach 42 km Fahrstrecke und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 13 km/h. Der erste Velotag hat uns in eine Märchenwelt eintauchen lassen und vor allem entschleunigt dank der akribischen Vorbereitung und souveränen Durchführung durch Carla und Erich Jordi.
Erwin Liechti

Montag, von Ossenzijl nach Lemmer Highlights des Tages
Heute fahren wir oft auf schmalen Wegen durch ehemaliges Torfabbaugebiet. Auch eine schön restaurierte Windmühle bewundern wir auf einem künstlich angelegten Hügel. Ebenerdig befindet sich ein Tor. Wofür diente sie wohl?
Den nächsten Halt gibt es auf einem Bauernhof. Hier wird mit 220 Kühe Milch produziert, alles vollautomatisch. Die Kühe fressen und lassen sich von einem Melkroboter melken, wann immer sie das Bedürfnis dazu haben. Sie haben erhöhte «Wassermatratzen» Liegeplatze mit Sägemehl darauf, hinter ihnen macht der Mistroboter den Stall sauber. Es ist eine sehr ruhige Stimmung im Stall, einige Kühe schauen uns neugierig an. Der Landwirt bekommt 35 Cents für den Liter Milch.
Zur Mittagszeit kommen wir bei zügigem Wind am Ijsselmeer an und essen unser Pic Nic am Strand. Die anschliessende Fahrt auf dem Damm zum Woudagemaal ist im Wind recht anstrengend. Das 1920 erbaute Dampfschöpfwerk ist ein UNESCO Weltkulturerbe und wird jedes Jahr nach heftigen Regenfällen für einige Tage in Betrieb genommen, weil ein grosser Teil von Friesland unter dem Meeresspiegel liegt. Wenn das Schöpfwerk in Betrieb ist, pumpt es jede Minute rund 4 Millionen Liter Wasser ins Ijsselmeer. Zu diesem eindrücklichen und genialen Ingenieurswerk und dem ganzen Wassermanagement gäbe es noch viele technische Details. Über dem Eingang zur Ausstellung steht: Wer Erfolg haben will, kann Erfolg haben.
Marianne Schaerer

Dienstag, von Lemmer nach Akkrum
Pünktlich, wie jeden Morgen, starten wir mit unserer Aufmerksamkeitsübung und radeln anschliessend von Lemmer in Richtung Woudsend. Der Name bedeutet «Ende des Ufers». Es ist ein Städtchen mit 1400 Einwohnern, das bis 1850 nur übers Wasser erreichbar war. Hier gibt es viel Moorboden, Ackerbau ist nicht möglich. Auf dem Rundgang durch die Altstadt mit Führung besichtigen wir die reformierte und die katholische Kirche. Die reformierte besitzt eine Orgel im Barockstil. Die katholische ist die älteste Kirche von Nordfriesland, in romanischem Baustil erbaut.
Weiter besuchen wir die alte Getreidemühle von 1740. Diese steht seit 1960 unter Denkmalschutz, sie kann ab Windstärke 4 Getreide mahlen. Die Mühle gehört der Gemeinde und wird durch ein Pächterehepaar geführt. Nach dem Aufstieg über die steilen Leitern hatten wir nicht nur Mehl am Ärmel, sondern am ganzen Körper! Mit der Windkraft können 50 kg schwere Getreidesäcke hinaufgezogen werden. Kaffee und Gebäck vom Müllerehepaar lassen wir uns schmecken.
Weiter geht’s zur Sägemühle, 1791 erbaut. Damit es schöne Bretter gibt, liegen die Baumstämme zuerst längere Zeit im Wasser. Mit Windkraft hebt man sie heraus und zersägt sie nass genau aufs gewünschte Mass.
Wir radeln weiter und werden von einem sehr starken Gewitter mit Hagel überrascht. Wir nehmen es von der positiven Seite: ist doch alles Mehl von unseren Kleidern abgewaschen. Bei einem kurzen Bummel durch Sneek lernen wir dieses Wassersportzentrum kennen. Natürlich dürfen Kaffee und der feine Apfelkuchen, von Carla empfohlen, in einem Strassenbeizli genossen, nicht fehlen.
Nach den letzten 15 km erreichen wir Akkrum, ein liebliches Städtchen mitten im Seengebiet. Hier müssen Jordis leider in einem B&B übernachten, da das Hotel zu wenig Zimmer reserviert hat. In einem traditionellen Beizli im Städtchen nehmen wir alle zusammen das Abendessen ein und geniessen einen gemütlichen Ausklang.
Dank Erich und Carla haben wir heute wieder viel Interessantes erfahren und prächtige Landschaftsbilder in uns gespeichert. Herzlichen Dank euch beiden.
Therese & Ernstpeter Zeller

Mittwoch, von Akkrum nach Earnewald
Nach einem wunderbaren Frühstücksbuffet packen wir unsere Velos und machen sie startklar. Die von Carla angeordnete Achtsamkeitsübung gibt uns die nötige Konzentration auf die heutige Etappe. Carla erklärt, dass wir heute 3 Pontjes benützen werden. Was das wohl sein mag? Nach einer kurzen Fahrt stellen wir erstaunt fest, dass in Holland sogar die Eisenbahn für die Schiffe angehalten, respektive deren Trassee über dem Kanal kurzerhand weggeschwenkt wird. Sind die Schiffe durch, wird die Brücke wieder zurück geschwenkt und der Zug kann die Brücke in voller Fahrt passieren, obschon über der Brücke gar keine Oberleitung vorhanden ist. Kurz darauf das nächste Highlight. Das erste Pontje haben wir erreicht. Nun wissen wir, dass damit eine Fähre gemeint ist. Die kleinen Fähren werden auch Fietspont (Velofähre) genannt. Fast geräuschlos gleiten wir mit der solarbetriebenen Fähre über das Wasser. Das kleine Städtchen Grou liegt im Sonnenschein, als hätte es sich für uns zurecht gemacht. Wir schlendern durch das historische Städtchen. Überall gibt es etwas zu entdecken und zu sehen. Dem Schreibenden sind die vielen fremdsprachigen Begriffe nicht mehr geläufig. Nach einem Cafébesuch und einem Besuch in einer Bäckerei nehmen wir die Weiterfahrt auf. Diese Weite, diese Ebene beeindrucken uns sehr. Ähnliches erleben wir in der Schweiz nur auf einem Berggipfel, was ja eigentlich nicht dasselbe ist. Bald treffen wir beim zweiten Pontje ein. Diesmal ist es keine solarbetriebe Fähre. Bevor wir übersetzen können, muss durch den Maschinisten ein Oelwechsel vorgenommen werden. Deshalb wird die Überfahrt für eine Stunde unterbrochen. Die Einzigen die Mühe mit diesem Umstand haben, sind wir Schweizer. Die Holländer setzen sich hin, nehmen eine Zwischenverpflegung ein und warten geduldig. Pünktlich nach einer Stunde erfolgt die Überfahrt und unsere Veloreise geht weiter. Nach einer äusserst abwechslungsreichen Fahrt gelangen wir am Nachmittag in den Nationalpark Alde Faenen. Auf dem Aussichtsturm mitten im wunderbaren Flachmoorgebiet können wir die Auen, Seen und Kanäle überblicken. Vogelschwärme bestaunen, wie sie ihre Formationen am Himmel vollführen. Es soll über 100 Vogelarten in diesem Naturschutzgebiet geben. Zugleich sind wir vermutlich auf dem höchsten Punkt unserer Reise. Jedenfalls vom Gefühl her. Teilweise mit Rückenwind und zwischendurch auch mit Gegenwind erreichen wir Earnewald. In Earnewald dürften wir an Bord der Marprinses. Auf dem Prinses-Margriet-Kanal und anderen Kanälen lassen wir die Auenlandschaften vom Wasser her auf uns wirken. An den Ufern sind viele Schiffe unterschiedlichster Bauart vertäut, wo die Einheimischen ihre wohlverdiente Freizeit verbringen. Diese entschleunigende Art der Fortbewegung vollendet einen wunderschönen Velotag. Die morgendliche Achtsamkeitsübung hat uns offenbar über den ganzen Tag begleitet. Ohne Defekte oder anderweitige Probleme treffen wir gesund beim Hotel Princenhof ein, wo wir die Nacht verbringen dürfen. Sehr rücksichtsvoll sind sie schon, die Holländer. So wird beim gemeinsamen Nachtessen mit dem Hauptgang zugewartet, bis die „einzelnen“ Vorspeisen restlos vertilgt sind. Müde, aber zufrieden und mit vielen Eindrücken vom ganzen Tag, begeben wir uns rechtzeitig zur Nachtruhe.
Roland Boss

Donnerstag, von Earnewald nach Harlingen, mit einem wissenschaftlichen Kleinod.
Die Landschaft dieser Etappe von ca. 45 km ist geprägt von kleinen friesischen Dörfern in Mitten einer weiten Landschaft. Für einmal ist das Wasser nicht im Mittelpunkt. Zwischenziel ist Franeker, eine Kleinstadt mit rund 13'000 Einwohnern und einer historischen Altstadt mit vielen denkmalgeschützten Gebäuden. Die Kirchenglocken begrüssen uns mit der Melodie von Beethovens Ode an die Freude. Wer Franeker besucht, kommt nicht um das Königliche Eisa-Eisinga Planetarium herum. Es ist das älteste funktionsfähige Planetarium der Welt. Jedes Jahr staunen Zehntausende von Besuchern über das wunderschöne sich bewegende Modell des Planetensystems, das der Hobbyastronom Eisinga vor 240 Jahren mit unglaublichem handwerklichem Geschick und erstaunlichen naturwissenschaftlichen Kenntnissen in seinem Wohnzimmer angefertigt hat. Auf Grund eines Selbststudiums war Eise in der Lage, im Alter von 15 Jahren ein eigenes Rechenbuch mit über 650 Seiten zu schreiben, weitere Bücher mit vielen astronomischen Berechnungen und Zeichnungen folgten. Unsere Zeit reicht nicht, um alle die astronomischen Kostbarkeiten zu bestaunen. Nach diesem Leckerbissen sind es etwa noch 10km bis wir die eindrückliche Hafenstadt Harlingen am Wattenmeer erreichen und unsere Unterkunft im Hotel Centraal beziehen. Am Abend haben wir Gelegenheit, die Stadt mit den vielen Angeboten für feine Fischgerichte zu entdecken. Ein Bummel durch diese charakteristische und abwechslungsreiche Stadt des Wassers lohnt sich allemal.
Christine und Thomas Schönholzer

Freitag, Tag zur freien Verfügung
Der heutige Tag steht zur freien Verfügung. Harlingen bietet vielfältige Möglichkeiten, einen interessanten Tag zu erleben. Ein paar Teilnehmende nehmen das Schnellboot auf die Insel Terschelling, gehen dort im Watt, an einem der grossen Sandstrände oder in den Dünen wandern und geniessen die Natur und die Ruhe. Die übrigen Teilnehmenden unternehmen eine letzte Radtour über einen langen Deich zum 32 km langen Abschlussdeich, der die Waddenzee vom Ijsselmeer trennt. Dort bestaunen wir die grossen Schifffahrtsschleusen sowie die gewaltigen Sperrwerke, die den Wasserspiegel des Ijsselmeers, und damit der nördlichen Niederlande regulieren und das Land vor Hochwasser schützen. Wir besuchen auch das neue Waddencenter, eine audiovisuelle Ausstellung mit viel Wissenswertem über die ganze Umgebung des UNESCO Weltnaturerbes Waddenzee, über wasserbautechnische und ökologische Aspekte sowie über den Abschlussdeich selbst. Den Abend geniessen wir alle zusammen bei einem leckeren Essen direkt am Hafen mit Blick auf die ein- und auslaufenden Boote.

Samstag, Heimkehr
Die Bahn bringt uns wieder pünktlich zurück zum Flughafen Amsterdam Schiphol und die swiss schliesslich sogar vorzeitig nach Zürich. Eine in jeder Hinsicht tolle Woche mit einer interessierten und jederzeit bestens gelaunten Gruppe geht damit zu Ende und bleibt in bester Erinnerung.
Erich Jordi