Bericht zur Tour
Autor
Urban Wyser
Erstellt am
27.06.2021 18:04
Letzte Änderung
27.06.2021 18:07
Tourenbericht

Teilnehmer: Regula Rauscher, Dänu Kühni, Ädu Schmid, Willi Anreiter, Tobi Schüpbach

Ach, das liebe Wetter und die böse Prognose. Anfangs Woche hätte man sich nicht erträumen lassen, dass wir zwei herrliche Bergtage verbringen dürfen. Stattdessen mühte ich mich als Tourenleiter mit Alternativ-Vorschlägen herum. Nach dem def. Entscheid zur Tour, beim Packen vom Rucksack, hatte ich die Regenhose lange in der Hand, sie musste schlussendlich zuhause bleiben. Schirm und Rucksack-Regendeck kamen aber mit, denn die letzte Prognose vom Vorabend liess einen Regenschauer am Freitag beim Hüttenzustieg als sehr wahrscheinlich erscheinen…

Wie auch letztes Jahr Start der Tour mit dem steilsten Poschi von Europa und beim Kafi in der Griesalp. Bei angenehmen Temperaturen und sehr verhangenem Himmel machten wir uns durchs Gamchi und dem gleichnamigen Gletscher Richtung Gamchilicke. Kurz vor dem kleinen Felsriegel, der zum Gletscher führt, konnten wir die ersten blauen Löcher über der Lücke erblicken und von da an war klar, dass es das wohl gewesen war mit dem angekündigten Regen.
Beim Aufstieg über einen Steilhang ins obere Gletscherbecken kam die Sonne voll zum Tragen und verwandelte im Nu die ganze Geländekammer in eine schwül-feuchte Sauna. Ein wahrer Alpinist muss ja bekanntlich leiden können (das hab’ ich von meinem Vater gelernt); so ging’s wohl denen in der GoreTex-Jacke… Nach einem extrem schneereichen Frühling (juhui!) war auch entsprechend noch viel Schnee vorhanden; bei der Tourenplanung sehr fraglich war der potentielle Neuschnee aus den zahlreichen Gewittern der Vortage, aber der hielt sich sehr in Grenzen.

Der Bergschrund liess sich problemlos rechts der Felsen über einen freihängenden und daher minim schauerlichen Schneeblock bezwingen, ein kurzes Ketten-Stück half die Felsen resp. den gröbsten Schutt zu überwinden. In gutem Trittfirn (der oberflächliche Neuschnee verabschiedete sich zwischendurch in dicken Nassschnee-Schnecken), aber bei extrem schweisstreibender Sonne erreichten wir bald die Gamchilicke 2836; im Wallis erwartete uns fast eitel Sonnenschein! Dank der vielen Ketten auf der Südseite erreichten wir rasch und ohne Mühe den Tschingelgletscher.

Der Ausblick von der Gamchilücke und die Erfahrung im Aufstieg zu derselben liess uns sorgfrei entscheiden, auf dem Weg zur Mutthorn-Hütte auch den Hausberg über dessen NW-Couloir mitzunehmen – eine sehr elegante Alternative zum Weg drum herum. Die rund 250 Hm in bestem Trittfrin, wenn auch oberflächlich recht feucht, absolvierten wir in abwechselnder Führung (da war ich als Tourenleiter für einmal nicht traurig). Und so hatten wir schon beim Hüttenzustieg einen ganz anständigen Gipfel im Sack (übrigens 3036).

Der Abstieg war frisch angespurt, im weichen Nachmittagsschnee erreichten wir so die Hütte sehr angenehm. In der Hütte wurden wir herzlich empfangen und bewirtet; frühe Saison, Freitag und nicht zuletzt Corona erlaubte uns einen sehr entspannten Hüttenabend mit nur 17 Gästen zu erleben. Mit Ziel Breithorn waren wir die einzigen!

Der Wecker auf Hochtouren – mein Freund und Feind; aber 03:15 ist halt schon sehr früh. Aufbruch um 04:15 in der Hütte, Anseilen auf dem Gletscher unterhalb der Hütte bei prächtigem, klarem Vollmond! Die Umrundung der beiden Tschingelhörner ist zwar hübsch, aber doch etwas eine Fleissfrage. Immerhin war der am Vortag angefeuchtete Gewitterneuschnee tragend gefroren, zumindest für die meisten von uns (gäll Ädu…). Bis zum Petergrat war eine Spur vorhanden, ab da wurde uns die Ehre zu Teil, die Saison am Breithorn zu eröffnen.

Gegen 06:15 erreichten wir die Wetterlicka 3167 resp. den Fuss vom Firnhang, der im Frühsommer erlaubt, den Grat etwa abzukürzen. W-Grate haben je nach dem den Nachteil, dass sie lange im Schatten liegen. So war die hübsche, nicht all zu schwierige Kletterei doch recht frisch, und die ersten Sonnenstrahlen am Grat so ab 7 Uhr waren sehr willkommen. In ansprechendem Geh- & Kraxelgelände, immer wieder mit Firn-Einlagen, erreichten wir zügig den ersten Felsriegel – die klettertechnische Schlüsselstelle, eine gut gestufte Verschneidung (III).

Der Blick Richtung Gipfel nach dem Felsriegel liess eher Winter- als Sommergefühle ausbrechen – doch noch recht winterlich. Dafür liess sich der folgende Firnhang wie auch die Querung, um den zweiten Felsriegel zu umgehen, in angenehmen Trittfirn zügig meistern. Mit Kabeln zurück zum Grat und schon bald erreichten wir das tadellos weisse und erstaunlich flache Gipfelfirnfeld (im späteren Sommer heutzutage nur noch Schutt und Geröll!). Zu meinem Erstaunen, vielleicht hat meine Tourenplanung beim «Gipfelfirnfeld» aufgehört, zog es sich dann doch noch ein ganzes Weilchen bis zum Gipfel. Aber in hübscher, kurzweiliger Kraxelei erreichten wir gut 6h nach Aufbruch den Gipfel 3780 (4h am Grat, für eine Sektionstour eine super Zeit!). Notabene bei eitel Sonnenschein und fast windstill (naja, nur fast); im Norden lockere Bewölkung, und hinter den grossen Wallisern komplett zu. Da hatten wir halt mal einfach Schwein.

Der Weg runter ist schnell erzählt, hat aber gleich lange gedauert wie der Aufstieg. Und die Firn-Passagen waren doch schon deutlich weicher als im Aufstieg, es war schon langsam Nachmittag, und eben doch Sommer auf der Südseite vom Berg.

Für den Tal-Abstieg wählten wir den etwas längeren, aber bequemeren Weg durchs Uisters Tal zur Fafleralp. Der Firn resp. der Neuschnee war, wie zu erwarten, Mitte Nachmittag nicht mehr tragend gefroren, aber immerhin auch nicht ganz so schlimm wie es hätte sein können. Auch auf der Südseite reichte der Schnee trotz der bereits vorhandenen Sommerhitze bis weit ins Lötschental runter (durchgehend und fett bis ca. 2500), so dass sich der Abstieg im gut gesetzten Schnee meistern liess.

Auch der Talboden war noch gut befüllt (2250 – 2050), so machen die langen Abstiege wahrlich Freude! Extrem gut gelaunt und reich beschenkt mit einer tollen Tour reichte es gerade noch auf einen Einkehr-Schwung in der Fafleralp, nach 14h auf den Beinen, bevor uns das Poschi zurück nach Hause brachte.

Herzlichen Dank an die motivierte Truppe – es het wirklich g’fägt!
Urbi Wyser, Tourenleiter