Bericht zur Tour
Autor
Urban Wyser
Erstellt am
28.08.2022 12:16
Letzte Änderung
28.08.2022 12:20
Tourenbericht

Zehn kleine Bergsteigerlein,
die wollten auf nen Berg…

Nun, nach langem, viel zu heissem Sommer mit ewigem Sonnenschein ist es dann doch etwas ärgerlich, wenn für die Sektionstour der Wetterbericht hartnäckig zweifelhaft ist. Und dazu: der extrem ausgeaperte und verschrundete Ob. Hüfifirn verunmöglicht die eigentlich vorgesehene Besteigung des NW-Grates vom Gross Düssi. Daher drehte das Varianten-Karussell im Vorfeld der Tour bereits heftig.

Sechs kleine Bergsteigerlein…

Verletzungsbedingt eine Woche im Voraus eine Absage; aufgrund der unsicheren Lage (Wetter & Verhältnisse) und der ausnahmsweise leeren Warteliste habe ich darauf verzichtet, einen Ersatz zu suchen.
…dann waren’s nur noch fünf.

Eine kurzfristige Absage wegen Familien-Krankheitsfall.
… dann waren’s nur noch vier.

Und so stiegen wir zu viert durchs wunderschöne, wenn auch etwas längliche Maderanertal von Bristen zur Hüfihütte auf. Erstaunlich grün & erstaunlich viel Wasser in den Bergbächen (solange es noch Gletscher gibt). Nachmittags-Programm: Inspektion / Rekognoszieren der frisch hergerichteten Zustiegs-Variante «NW-Grat direkt ab Hütte ohne Gletscher». Erster Eindruck: grasige Tritte und mudriges Gelände, es verträgt noch viele Begehungen um diese Variante etwas «einzulaufen»; einsetzender leichter Regen hat uns zur Umkehr vor einem zweiten Eindruck bewegt.

Im Abstieg dann ein leichtes Zipperlein im Knie, das dann schweren Herzen den Verzicht auf die Tour nahelegte.
… dann waren’s nur noch drei.

Bei der Detailplanung (Wetter unsicher, Düssi oder doch alternative Schärhorn, evtl. Bocktschingelgrat?) die Frage nach der Rückkehrzeit mit der Antwort «eher spät» (nun ja, naheliegend bei ausgewachsener Tour, pot. langem Abstieg und 4h+ Rückreisezeit). Im Anschluss lange Telefonate bei kaum vorhandener Netzabdeckung und schlussendlich unüberwindbare Kinder-Hüte-Probleme…
… dann waren’s nur noch zwei.

So stapften zwei tapfere Bergsteigerlein, Oli Ritschard und ich, am frühen Samstagmorgen um 05:30 gen Gross Schärhorn 3296m los, wettertechnisch bedingt «nur» der Ostgrat im Visier. Kaum auf dem ausgeaperten ehemals stolzen Hüfifirn angelangt, kurz hinter der Hütte, begann eine wilde Spalten-Rallye. Die ersten paar waren ganz lustig zu überkraxeln oder zu umgehen, auch sehr hübsch anzuschauen (gebändert, mit Schwemmkies, Eiseinlagen etc.). Nach Dutzenden, wenn nicht sogar Hunderten von Spalten, mit stark reduziertem Tempo (die zurückgelegten Höhenmeter hielten sich stark in Grenzen im Gegensatz zum zurückgelegten Weg), erreichten wir die Steilstufe auf 2600m. Zumindest der untere Teil der Stufe war auf dem Eis gut zu gehen (wenig Spalten), langsam beginnende Firnresten legten ein Anseilen nahe. Die obere Hälfte entpuppte sich aber wieder als sehr spaltenreich (ist ja logisch, da wo der Gletscher über die Kante fliesst), und so kraxelten wir über den sehr verschrundeten seitlichen Gletscherrand auf frisch ausgeschmozende Felsbuckel, die aber wider Erwarten gut begehbar waren. Das obere Plateau vom Hüfifirn, gegen die Chammlilücke (ehemals 2825m, jetzt wohl viel weniger) liess sich gut begehen; einzig der gewaltige Randspalt zum Ostgrat vom Schärhorn hin verlangte nochmals Vorsicht.

Der Ostgrat selber, über trostlose Schutthalten und einen breiten Rücken (von Firn keine Spur!) glich eher einem Wanderberg; die Gipfelfelsen (gemäss Prospekt «kurz und steil»), entpuppten sich als 2m-kurze plattige Stelle, etwas enttäuschend; war ja aber auch nur die Ausweichtour.
Und so standen wir zu zweit (zum Glück keine weiteren Ausfälle unterwegs!) nach rund 4½h auf dem Gipfel, bei Nebelfetzen und fahlem Sonnenschein. Wettertechnisch etwas ernüchtert, weil’s halt doch wieder mal deutlich besser als angesagt war – jä nu de haut.

Entgegen der Empfehlung der Hüttenwartin, fürs Ziel Klausenpass über das Chammlijoch und das Iswändli abzusteigen, entschieden wir uns für die pot. steinschlägigere, aber deutlich direktere und somit weiteres Spalten-Rallye vermeidende Variante, von der Chammlilücke über den Griesgletscher (resp. seine traurigen Reste) abzusteigen. Die plattigen/schuttbedeckten Passagen hielten sich sehr in Grenzen, und in grossen Strecken liess sich in Schuttrinnen gäbig Höhe vernichten.

Und so erreichten wir, wie es sich gehörte für eine Bergtour, mit müden Beinen aber glücklich über die vollbrachte Tat, gegen 13:45 den Klausenpass. Einziger Wermuts-Tropfen: Das Wetter hätte auch für den Gross Düssi gereicht – macht aber nix, wir kommen wieder!

Urbi Wyser - Tourenleiter